Kann man Komponieren lernen?
Die Kompositionklasse von Markus Hechtle
Film von Samira Wischerhoff, Christoph Schneider und Nick Sternitzke, Hochschule für Musik Karlsruhe, 2017
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1992
Umgang (2003)
mit zwei Klavieren
Auftrag der Staatsoper Stuttgart
Dauer: ca. 11 '
UA am 12.05.2003 Staatsoper Stuttgart, Kammertheater, innerhalb der Konzertreihe "Dialoge"
Klavierduo Friederike Haug / Jürgen Kruse
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Konzert vom 1.05.2005 im Konzerthaus Freiburg
Akiko Okabe und Julia Vogelsänger
Mitschnitt des SWR
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Einführungsgespräch zwischen Jens Schroth (Dramaturg an der Staatsoper Stuttgart)
und Markus Hechtle am 12.05.2003
Zwei Klaviere bleiben eine problematische Besetzung.
Die Arbeit an Umgang war immer von der Frage begleitet, was mich eigentlich an dieser Besetzung stört. Die Antwort, die ich zum jetzigen Zeitpunkt geben kann, ist einfach: Zwei Klaviere sind eins zuviel. Für mich und mein Empfinden jedenfalls. Dies gilt auch hinsichtlich der meisten Literatur, die ich kenne.
Daneben steht mein seit Jahren beständiger Wunsch, ein gutes Stück für Solo-Klavier komponieren zu können, was mir bis jetzt nicht gelungen ist.
Beide Aspekte haben so die Arbeit an diesem Stück mitbestimmt: Die Abneigung gegen die Besetzung und die Hoffnung, vielleicht über zwei Klaviere mich dem einen nähern zu können.
Umgang wurde im Zusammenhang und im Dialog mit der Sonate für zwei Klaviere von Karel Goeyvaerts uraufgeführt. Offen gesagt: Diese Sonate mag ich nicht. Vor allem stört mich eine latente Unterdrückungs- und Verdrängungsarbeit, die ich stärker als die Musik selbst höre und spüre. Als hätte er nicht den Mut gefunden, das, was ihn wirklich interessierte, zu formulieren.
Ich glaube, Momente in dieser Musik zu hören, die einen großen Drang, einen Wunsch nach energetischer Gestaltung offenlegen. Ein Drang nach Freiheit jenseits struktureller Ver- oder Gefangenheit. Aber dieser Drang hat sich nur spärlichen Raum gebrochen, Goeyvaerts scheint ihm nicht nachgegeben zu haben, scheint einer ständigen Hemmung unterlegen zu sein. Die Hemmung selbst bildet jedoch keine Qualitäten, sie wird nie selbst Akteur. Sie bleibt, was sie ist: Hemmung.
Ich habe versucht, mich beim Komponieren von Umgang an den Punkt zu begeben, an dem dieser Knoten zwischen Sehnsucht nach expressiver Freiheit einerseits und Erfüllung von Strukturierungsgeboten andererseits geknüpft worden sein könnte. Nicht etwa, um den Knoten zu lösen (das ist schier unmöglich, denn er ist ein ständiger Begleiter des Komponisten), sondern um ihn möglicherweise unter anderen Vorzeichen zu binden. Dies geschah hypothetisch, spielte sich ganz in meiner Phantasie ab. Von dort aus wollte ich versuchen, dem Drang nach energetischer Gestaltung nachzugehen und nachzugeben, natürlich mit meinen Mitteln. So mag eine Musik entstehen, die dem Gestischen Raum verleiht, die sich in kantigen und scharfen Bewegungen artikuliert und die die Goeyvaerts unterstellte Hemmung als Ausgangspunkt für einen neuen Anlauf zu nutzen sucht.
Markus Hechtle